Seit 2009 wird die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien mit der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) gefördert. Selbst die als extrem atomfreundliche CVP-Energieministerin Doris Leuthard (“Atom-Doris“) und Wirtschaftsminister Schneider-Ammann machten eine 180-Grad-Wendung und sind auf diese Schiene, auf die Förderung von erneuerbaren Energien – zumindest öffentlich – eingestiegen. 

Dennoch erweist sich die offizielle Förderung für viele Leute als Farce. Denn es gibt jahrelange (!)Wartelisten, damit man Fördergelder erhalten kann.

Biogas aus dem Domleschg? Im Moment sieht es hinsichtlich der Kostendeckung schlecht aus. Wer trägt die Verluste?

Biogas aus dem Domleschg? Im Moment sieht es hinsichtlich der Kostendeckung schlecht aus. Wer trägt die Verluste?

Im Domleschg sind nicht nur zahlreiche private Bauherrn und Umweltinvestoren betroffen, sondern auch große Aktöre werden mit der Bürokratie und dem Verfahren nicht fertig. An Biogas Realta etwa sind große Marktspieler die Herren: Denn der Kanton Graubünden und Axpo sind Hauptaktionäre der Realta Biogas AG.

Man sollte also davon ausgehen, daß solch Mächtige mit dem bürokratischen Verfahren locker klarkommen.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn trotz dieser zweifellos mächtigen und ohne jeden Zweifel auch äußerst bürokratieerfahrenen (der Kanton ist ja selbst Behörde) Beteiligten klappt es nicht wie vorgesehen mit der KEV.

Denn jahrelange Verluste waren sicher nicht vorgesehen bzw. geplant: Zuletzt recherchierte Domleschg24.ch, daß Biogas Realta wegen dem, was die nun veröffentlichte Studie kritisiert, vorraussichtlich jahrelang Verluste schreiben wird.

Daher betreffen die Mißstände bei der KEV nicht nur private Investoren und Bauherren, sondern alle Steuerzahler im Kanton, weil staatliche bzw. kantonale Mitspieler die Verluste produzieren.

Wie Domleschg24.ch recherchiert hat, steht das Bundesamt für Umwelt wegen der Warteliste unter massiven Druck und mußte wegen der bestehenden Verunsicherung Info-Broschüren erstellen lassen. Eine solche liegt der Redaktion vor (siehe Foto-Ausriß)

Die Bundeamts-Verantwortlichen kamen wegen der riesigen KEV-Warteliste unter massiven Druck und es mußten wegen der großen Verunsicherung Info-Broschüren erstellt werden. Eine solche liegt der Redaktion vor (siehe Foto-Ausriß)

Das System der KEV war in der Theorie schön, doch: Die gesetzlich festgelegten Kostengrenzen waren erreicht, der Gesamtkostendeckel ausgeschöpft. Anlagen wurden auf Wartelisten gesetzt.

Hinzu kommt eine exzessive Beamten- bzw. Formular-Bürokratie, die jedem Investor die Nerven blankliegen läßt. Selbst das Ausfüllen der Formulare ist ohne teure externe Berater sogut wie unmöglich, ganz abgesehen vom massiven Zeitwaufwand.

Das Bundesamt für Energie (BFE) hat nun – mit langer Verzögerung  und wohl nur aufgrund der massiven öffentlichen Kritik von Bauherren und anderen Betroffenen – das bisherige Prozedere und die bisherigen Auswirkungen der KEV extern in einer Studie untersuchen lassen.

Die KEV deckt die Differenz zwischen den Kosten für die Produktion und dem konkurrenzierten Marktpreis.

Konkurrenziert wird der “Marktpreis” durch Atomstrom und Öl, Gas und anderen größtenteils aus dem internationalen Ausland importierten Energieformen etc. 

Insgesamt wurden 2010 mithilfe bzw. unter zusätzlicher Inanspruchnahme der Förderung von erneuerbaren Energien durch die Kostendeckung der KEV 505 GWh Strom produziert (51 Prozent Kleinwasserkraft, 42 Prozent Biomasse, Rest übrige Technologien). Unter Berücksichtigung der Vollzugskosten und des Mitnahmeeffekts kostete eine Kilowattstunde bei der Kleinwasserkraft 13,5 Rappen, bei Windenergieanlagen 16 Rappen, bei der Biomasse 18,5 Rappen und bei der Solarstrom 77 Rappen.

2010 wurde der Strom aus mit KEV geförderten Anlagen mit insgesamt 103 Millionen Franken vergütet; davon sind 69 Millionen Franken Fördermittel, der Rest war über den Marktpreis gedeckt.

Studie: KEV-Gesamtdeckel aufheben

Das System der Deckelbewirtschaftung wird in den Befragungen, welche die beauftragte Firma durchführte, stark kritisiert.

Die vom Bundesamt für Energie in Auftrag gegebene Studie, welche an eine Agentur mit dem häßlichen und fantasielosen Namen “interface” vergeben wurde, empfiehlt: Der KEV-Gesamtdeckel sollte aufgehoben werden. Bei der Sonnenenergie seien jedoch Vorkehrungen zu treffen, um den Zubau aufgrund der technischen und wirtschaftlichen Fortschritte zu steuern und eine Kostenexplosion zu vermeiden.

Exzessive Bürokratie

Außerdem sei der KEV-Vollzug zu vereinfachen, so die Studie. Die Berechnungsverfahren seien zu verbessern und die Vergütungssätze dauerhaft zu überwachen und wenn nötig auch kurzfristig an die Marktentwicklung anzupassen. Im Jahr 2010 lagen die Vollzugskosten bei 7 Prozent der gesamten Fördersumme.

Sogar betroffene Behörde beklagt Bürokratie bei der KEV: “Das Anmeldeverfahren sei nicht nur für die Gesuchstellenden, sondern auch für die verantwortlichen Vollzugsaktöre (primär Swissgrid) aufwändig (unmittelbare Umsetzung, Beratung, Einsprachen usw.), heißt es in der Untersuchung.

Fehlende Konzeption, keine einheitliche Kommunikation

Hinzu zu der wuchernden Bürokratie kommen fehlende Konzeption und keine einheitliche Kommunikationsstrategie: So schreiben die Untersucher der KEV: “Aus theoretischer Sicht zu bemängeln ist das Fehlen einer einheitlichen Informations- und Kommunikationsstrategie. Angesichts der Bedeutung von Information und Beratung für die Wirkung von Fördermaßnahmen im Energiebereich stellt dies einen Mangel der Konzeption dar. Ebenso stellt aus theoretischer Perspektive das Fehlen eines Verfahrens zur Kontrolle der Finanzflüsse, der Anmeldeverfahren und der Realisierung von Projekten einen Mangel dar.”

Bewilligungs- und Konzessionsverfahren müssen beschleunigt werden

Vor allem seitens der Politik werde auf eine Beschleunigung von Baubewilligungs- und Konzessionsverfahren gedrängt, so stellt die Studie weiter fest. Ein wohl berechtigtes Anliegen. Im Domleschg etwa gibt es Gemeindebehörden, welche jahrelang (!) wegen  etlichen unbewilligten Bauten untätig bleiben. Wie solche Behörden erst bei “exotischen” Bewilligungsverfahren für neue Energien verfahren, daran darf man gar nicht einmal denken.

Neubeurteilung gesetzlich verankern

Im Energiegesetz sollte ferner ein fixer Zeitpunkt für die Neubeurteilung dieses Förderinstruments verankert werden, empfehlen die Gutachter. Dies würde der Politik Handlungsspielraum verschaffen und einen effizienten Vollzug fördern.

Die KEV kurzfristig durch ein anderes Instrument (Quotenmodell, Ausschreibungen) zu ersetzen, halten die Experten für nicht empfehlenswert: Die Verluste an Know how und die Kosten beim Aufbau eines neuen Systems wären beträchtlich.

Die Studie zur KEV wurde von Interface – Politikstudien Forschung Beratung in Luzern, Ernst Basler + Partner AG in Zollikon und der Abteilung für Politikwissenschaften und internationale Beziehungen der Universität Genf vorgenommen.

Die Studie im Wortlaut können Sie hier lesen: Be_KEV_Evaluation

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