Bunt zu ging es jüngst am höchsten Gericht Bündens und bunt geht es weiterhin zu.

Von Richtern, die über das Verhalten anderer urteilen sollen, erwartet das Volk ein besonders gutes Benehmen besonders aber um Integrität.

In Graubünden kam es am Kantonsgericht zum Eklat und es fragt sich wie es um das Ansehen des höchsten bündner Gerichts in der Bevölkerung bestellt ist.
Es hat über große Fälle zu entscheiden oder auch, wenn zum Beispiel ein Regionalrichter am Bezirksgericht Thusis – wie schon vorgekommen – falsch geurteilt hat.
Im Kanton ist es die höchste rechtliche Instanz.

Ein Richter dieses Gerichts, Dr. Peter Schnyder, bezichtigt nun einen andern Richter, Dr. Norbert Brunner (Gerichtspräsident) ein von der Gerichtskammer gesprochenes Urteil heimlich massivst abgeändert zu haben.
Nicht gerade das, was man von einem Kantonsgericht erwartet.
Mehr noch: Die Abänderung hatte große Folgen.

Halbe Million Franken weniger

Gerichtspräsident Dr. Norbert Brunner hält dagegen, er habe das strittige Urteil bloß bereinigt.
Die “Bereinigung” allerdings sah so aus, daß ein Erbe eine halbe Million Franken weniger erhielt und dieses Geld einer nicht einmal am Erbverfahren beteiligten Partei zugesprochen wurde.

Und antwortet – mit Unterstützung des Gesamtgerichts – mit einem Amts­enthebungs­verfahren.

Kommission greift aufsichtsrechtlich ein

Die Kommission für Justiz und Sicherheit (KJS) des Großen Rats hat heute über diverse aufsichtsrechtliche Entscheide zu hängigen Verfahren bezüglich der angespannten Situation am Kantonsgericht Graubünden informiert.

Darunter fallen Beschlüsse zu Anträgen auf Amtsenthebung gegen Angehörige des höchsten Bündner Gerichts.

Die Kommission für Justiz und Sicherheit (KJS) des Großen Rats hat heute über diverse aufsichtsrechtliche Entscheide zu hängigen Verfahren bezüglich der angespannten Situation am Kantonsgericht Graubünden informiert. Darunter fallen Beschlüsse zu Anträgen auf Amtsenthebung gegen Angehörige des höchsten Bündner Gerichts.

Richter Dr. Peter Schnyder soll nicht wiedergewählt werden +++ Aufhebung der Immunität von Gerichtspräsident Dr. Norbert Brunner

Während eine Wahlempfehlung beim Gerichtspräsidenten Dr. Norbert Brunner obsolet ist, da dieser nicht zur Wiederwahl antritt, spricht die KJS für den Kantonsrichter Dr. Peter Schnyder eine Empfehlung zur Nichtwiederwahl durch den Großen Rat im August aus.

Zudem hat das mit 11 Großratsmitgliedern aus allen Fraktionen besetzte Aufsichtsgremium die Ergebnisse des externen Fachberichts zu den Pendenzen und Verfahrensdauern am Kantonsgericht vorgelegt.

Ebenso hat die KJS ihren zustimmenden Entscheid auf Aufhebung der Immunität von Dr. Norbert Brunner in einem Strafverfahren der Bündner Staatsanwaltschaft begründet.

Fotos Kantonsgericht Graubünden, feudaler Eingangsbereich mit Glocke beim Sekretariat, ganz klassisch (Fotos: Remo Maßat / DZ)

Fotos Kantonsgericht Graubünden, feudaler Eingangsbereich mit Glocke beim Sekretariat, ganz klassisch (Fotos: Remo Maßat / DZ)

1 Antrag auf Amtsenthebung, 1 Disziplinarverfahren

Die KJS mußte sich unter anderem mit der Bearbeitung eines Antrags auf Amtsenthebung gegen Kantonsrichter Dr. Peter Schnyder beschäftigen.

Der Entscheid über eine Amtsenthebung ist alleine vom Großen Rat zu fällen.

Beim vorliegenden Fall handelt sich um ein Novum.

Im Kanton Graubünden gab es bisher keine Beurteilung eines Amtsenthebungsantrags.

Nicht nur die Auslegung der einschlägigen Gesetzestexte, sondern auch die fehlende Erfahrung auch aus anderen Kantonen führten zu einem großen juristischen Aufwand.

Der Antrag auf Amtsenthebung gegen Kantonsrichter Schnyder wurde vom ganzen Richterkollegium am 5. Juni 2019 gestellt. Die KJS leitete umgehend ein entsprechendes Verfahren ein.

Im Anschluß wurde der betroffenen Partei rechtliches Gehör gewährt. Aufgrund der Aktenlage nach der Stellungnahme von Kantonsrichter Schnyder leitete die KJS ein weiteres aufsichtsrechtliches Verfahren gegen Kantonsgerichtspräsident Dr. Norbert Brunner ein, dem ebenfalls das notwendige rechtliche Gehör gewährt wurde.

Zur rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes zog die Kommission Prof. Dr. Isabelle Häner von der Anwaltskanzlei Bratschi AG in Zürich bei. Am 7. Mai 2020 reichte Kantonsgerichtspräsident Brunner ein Ausstandbegehren zum Endentscheid gegen die Mitglieder der KJS ein.

Dieses ist in der Junisession vom Großen Rat zu beurteilen. Das Kantonsgericht hat in der Zwischenzeit den Antrag auf Amtsenthebung zurückgezogen.

Kantonsrichter Dr. Schnyder: Empfehlung auf Nichtwiederwahl +++ bedeutende Amtspflichtverletzungen +++ Unkollegiales Verhalten

Parallel zu den Untersuchungsarbeiten oblag es der KJS, die Gesamterneuerungswahlen am Kantons- sowie am Verwaltungsgericht vorzubereiten.

Um ein klareres Bild der Sachlage zu gewinnen, hat die KJS frühzeitig die Verschiebung dieser Wahlen vom Juni auf den August beantragt. Die Untersuchungen haben bei Dr. Schnyder einen ausgeprägten Individualismus und ein Beharren auf der eigenen Meinung in einer Art und Weise offenbart, die für eine Kollegialbehörde als unverträglich beurteilt werden müssen.

Außerdem sind bedeutende Amtspflichtverletzungen seitens Dr. Schnyder festgestellt worden. Die KJS hat deshalb einen Verweis ausgesprochen. Von der Aussprechung einer schwereren Disziplinarmaßnahme und namentlich von der schwersten Maßnahme der Amtsenthebung sah die KJS hingegen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ab.

Gleichzeitig hat die KJS entschieden, die Empfehlung auf Nichtwiederwahl abzugeben, da sie zur Auffassung gelangt ist, daß Dr. Schnyder die persönlichen Voraussetzungen für das Richteramt nicht erfüllt und eine geordnete Zusammenarbeit mit den Mitrichtern nicht mehr möglich scheint.

Gerichtspräsident Dr. Brunner: “Sehr ernsthafte” Pflichtverletzung

Im Disziplinarverfahren gegen den Kantonsgerichtspräsidenten Dr. Norbert Brunner hat die KJS eine sehr ernsthafte Amtspflichtverletzung feststellen müssen. Diese steht im Zusammenhang mit einer unsachgemäßen Behandlung eines Berufungsurteils in einem Erbrechtsfall, der auch medial mehrfach behandelt wurde.

Gleichzeitig gilt es zu berücksichtigen, dass gegen Dr. Brunner in seiner langjährigen Tätigkeit noch nie eine ernsthafte aufsichtsrechtliche Anzeige eingegangen war und auch keine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen werden mußte.

Gerichtspräsident stellt Ausstandsbegehren gegen komplette Justizkommission

In der Zwischenzeit hat Dr. Brunner ein Ausstandsbegehren gegen alle Mitglieder der KJS gestellt.

Über dieses Begehren wird der Große Rat in der Junisession entscheiden.

In der Folge wird die KJS darüber befinden, welche Sanktion gegen Dr. Brunner zu verhängen ist. Weil dieser auf eine weitere Kandidatur verzichtet, hatte die KJS keine Wahlempfehlung zu treffen.

Ermächtigung zur Aufhebung der Immunität erteilt +++ Staatsanwaltschaft Graubünden führt strafrechtliche Untersuchung gegen Gerichtspräsidenten

Neben diesen aufsichtsrechtlichen Untersuchungen sah sich die KJS mit einem strafrechtlichen Verfahren im Rahmen des bereits erwähnten Erbrechtsfalls konfrontiert. Die KJS ist befugt, über die Aufhebung der Immunität der Richterpersonen an den Oberen Gerichten zu befinden.

Am 7. April 2020 fällte die KJS einstimmig den Ermächtigungsentscheid gegen Kantonsgerichtspräsident Dr. Norbert Brunner.

Aufgrund des positiven Ermächtigungsentscheids führt aktuell die Bündner Staatsanwaltschaft eine entsprechende strafrechtliche Untersuchung durch.

Das Strafverfahren ist nicht mehr Teil der Kommissionsarbeit.

Seit 2014 Verdoppelung der Pendenzen am Kantonsgericht +++ Dies trotz ausreichender Besetzung

Im Auftrag der KJS vom 5. November 2019 haben die Professoren Dr. Beat Stalder (Bern) und Dr. Felix Uhlmann (Zürich) die Ursachen der vielen Pendenzen und der langen Verfahrensdauer am Kantonsgericht Graubünden umfassend untersucht.

Die zwei externen Experten stellen fest, daß die Anzahl Fallerledigungen in den vergangenen zwei Jahren am Kantonsgericht Graubünden insgesamt deutlich zugenommen hat. Gleichzeitig sind die Pendenzen laut Bericht seit 2011 stetig gestiegen, im Zeitraum zwischen 2014 und 2019 haben sie sich praktisch verdoppelt.

Die Experten haben die Bündner Zahlen mit jenen der Obergerichte der Kantone Zürich und Bern verglichen; diese weisen deutlich weniger Verfahren mit Verfahrensdauern von über 12 Monaten aus. Der Kantonsvergleich zeigt zudem, daß das Kantonsgericht Graubünden im Hinblick auf die Anzahl Richterstellen ausreichend besetzt ist.

Eher knapp beziehungsweise unterdurchschnittlich beurteilen die Experten hingegen die personellen Ressourcen des Aktuariats.

Nicht noch mehr Richter, sondern mehr Arbeitsfleiß und allenfalls Einsatz von Ersatzrichtern

Die Experten empfehlen der KJS deshalb, nicht neue Richterstellen per se zu schaffen, sondern zusätzliche Möglichkeiten für den Einsatz von Ersatzrichtern für außerordentliche Situationen und für eine beschränkte Zeit zu prüfen.

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