Im Domleschg wird nicht nur rege gebaut, auch die Einwohnerzahlen steigen. Dies zeigt die jüngst veröffentlichte Statistik von Cazis beispielhaft (Symbolbild: Immobilienmakler24.ch)

Im Domleschg wird nicht nur rege gebaut, auch die Einwohnerzahlen steigen. Dies zeigt die jüngst veröffentlichte Statistik von Cazis beispielhaft (Symbolbild: Immobilienmakler24.ch)

Wer durch das Domleschg fährt, sieht allenorten Baustellen.

Die optische Wahrnehmung wird durch Zahlen untermauert. Zumindest in den Ortschaften Scharans (hier mußte erst kürzlich neu Bauland eingezont werden, Domleschg24 berichtete), Cazis und Thusis werden ständig neue Baugesuche eingereicht.

Doch es wird nicht nur gebaut, auch die Einwohnerzahlen steigen. Die aktuell veröffentlichten Zahlen aus Cazis zeigen dies eindrücklich auf.

Besonders, wenn man bedenkt, daß die kantonalen behördlich vorgenommenen Prognosen für das Domleschg von einer Stagnation oder sogar einem Rückgang ausgingen, so sind diese Entwicklungen bemerkenswert.

Die ständig beklagte “Durchgangstal”-Theorie scheint so nicht ganz zuzutreffen.

Was sind die Gründe für die Entwicklung?

Gründe für den Zuwachs sind zudem auch klar auszumachen.

Einmal ist eine relative Nähe zur Kantonshauptstadt Chur vorhanden. Andererseits ist Thusis nicht nur Zentrumsort für das Domleschg, sondern was bestimmte Dienstleistungen und Einkäufe anbetrifft, auch für weitere Talschaften, etwa das Schams.

So tragen nicht nur domleschger Gemeinden das Spital Thusis. Und auch kaufen nicht nur Menschen aus dem Domleschg im Migros und Coop von Thusis ein.

Der wichtigste Grund aber ist ein anderer.

Maßgeblich: Die Verkehrsanbindung, namentlich des ÖV

Er liegt in der überaus guten Verkehrsanbindung, namentlich im Öffentlichen Verkehr (ÖV).

Man hat im Tal sogar an vielen Orten die Qual der Wahl.

Zwischen Thusis und der Kantonshauptstadt gibt es stündlich über drei Verbindungen.

a) den Regionalzug (S-Bahn) von Thusis nach Chur

b) zwei Busverbindungen (je eine auf jeder Talseite) mit Halt an sogut wie “jedem Baum” mit Anschluß in Rhäzüns an den Zug nach Chur. Mit diesen werden die bedient, die nicht nahe eines Bahnhofs wohnen.

c) Wer in Ortschaften bei Thusis wohnt, kann sogar noch den Schnellzug aus dem Engadin nach Chur nehmen, welcher jede Stunde verkehrt. Frühmorgens hält dieser auch in Rothenbrunnen.

Darüberhinaus gibt es noch zu manchen Zeiten Direktbusse.

Theorie oder auch untermauerbar?

Woran belegt sich, daß diese guten ÖV-Anbindungen eine extrem große Rolle bei der Einwohnerentwicklung spielen? Daran, daß die Einwohnerzahlen hauptsächlich in den Talgebieten wachsen.

In den Berggebieten der Talschaft, wo insbesondere auf der Seite des Heinzenberg nur äußerst magere Busverbindungen bestehen, ist keine solche Einwohnersteigerung zu verzeichnen.

Für die Wirtschaft wichtig

“Die Ansiedlung von neuen Betrieben im Domleschg gestaltet sich trotz günstigen Bodens in der Ebene schwierig”, klagte der damalige Geschäftsführer der RegioViamala Mitte 2010 in der Südostschweiz: “Gemäß Capar Nicca zeigt sich immer wieder, daß viele Unternehmer die Standorte, die hinter Chur liegen, gar nicht in Erwägung ziehen. Dies vor allem aus verkehrs- und personaltechnischen Gründen”.

Was folgt daraus? Bzw., wenn Nicca recht hat, dann spielt also eine gute Verkehrsanbindung eine äußerst große Rolle. Daß aber auch hinter Chur liegend in der Pampa (Peripherie) Wachstum möglich ist, muß man dennoch feststellen. Der Gegenbeweis ist unübersehbar:

Wer Karten vom Nachkriegs-Ems und vom heutigen Ems bzw. Fotos von beiden nebeneinander liegend betrachtet, sieht dort, wo früher eine grüne Wiese war den größten Arbeitgeber Graubündens. Die Werke der Ems-Chemie. Es geht also. Allerdings ließ Blocher wohl Schienen legen. Wer einmal die Gleise beobachtet, sieht, daß die Gleise bis Ems-Werk dreifach sind. Einmal die der RhB-Schmalspur und ein drittes Gleis, damit auch SBB-Züge nach Ems rollen können.

Was zeigt das eindrücklich? Die Verkehrsanbindung ist wichtig. Nicht zuletzt für die Wirtschaft.

Cazis etwa ist ja gegenwärtig dabei, genauso wie Thusis, solch häßliche Bauten wie die der Ems-Chemie anzusiedeln im Tal. Die Frage ist, wieweit man das will und ob man nicht mehr Schwerpunkte auf Tourismus setzen wollte, so wie etwa Flims, das zu einem weltbekannten Ferienort wurde, tun möchte. Einfache Antworten sind hier wohl kaum möglich.

Verkehrsanbindung ist ein Stück Lebensqualität

Doch zurück zum Thema Verkehrsanbindung: Es spielt sowohl für berufstätige Leute, welche die Zeit gerne im Bus oder Zug verbringen anstatt mit dem Auto zu fahren oder auch für Familien mit nur einem Auto eine große Rolle. Die Freiheit, jederzeit einen Bus oder Zug zu haben. Etwa, um in die Kantonshauptstadt oder zu Besorgungen innerhalb der Region zu Terminen oder Anlässen zu fahren.

Situation der Berggebiete der Talschaft

Auch für junge Leute spielt dies eine Rolle: Wer in Präz wohnt, kann abends nicht in Chur in den Ausgang unter der Woche. Außer, er hat ein Auto und konsumiert nur Mineral oder Tee. Oder er hat Bekannte in Chur. Also das Gegenteil von Freiheit, man muß auf Sachzwänge Rücksicht nehmen oder ist auf andere angewiesen, bei denen man übernachten kann.

Was wird so jemand machen? Abwandern und wegzügeln aus dem Berggebiet.

Fazit

Insofern spielt das Angebot des ÖV – und das oben waren nur wenige Beispiele – eine äußerst große Rolle bei der Einwohnerentwicklung. Und zumindest in den Talgebieten ist in diesem Punkt das Domleschg – im Gegensatz zu den Berggebieten – sehr verwöhnt.

Denn mit den guten Anschlüssen nach Chur kommt man auch von Chur aus schnell weiter. Etwa in einer guten Stunde nach Zürich (von Chur aus).

Darüberhinaus spielen gute ÖV-Anschlüsse nicht nur für den privaten Verkehr (Ausgang, Besorgungen, Freizeit, Besuch von Kulturanlässen), sondern auch für die Wirtschaft doch durchaus eine große Rolle.

Und zu guter letzt für den Tourismus. Wenn er sich gut vermarkten würde, anstatt die “Durchgangstal-Leier” herunterzuleiern.

Aber das ist ein anderes Thema, zu dem nächste Woche etwas erscheint auf Domleschg24.ch.

Remo Maßat

 

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