Nachtrag: Die Resultate

In Cazis wird am Sonntag gewählt.

Die Wahl wird allgemein als Richtungswahl angesehen, ob die Dominanz der CVP und BDP weiter bestehen bleibt oder auch ein parteiloser Kandidat gewählt wird.

Im ersten Wahlgang traten 3 Kandidaten an, keiner erreichte den notwendigen Stimmenanteil.

301 Stimmen erhielt der Parteilose Markus Niederdorfer.

211 erhielt Pascale Steiner von der BDP.

135 Stimmen erhielt Gérald Hunger von der CVP.

Nun treten nur noch 2 Kandidaten für einen zweiten Wahlgang an. Denn Steiner wird im zweiten Wahlgang auch von der CVP unterstützt, die nicht mehr mit einem eigenen Kandidaten antritt. So wollen BDP und CVP mit vereinten Kräften den parteilosen Niederdorfer verhindern.

Die Wähler müssen sich entscheiden zwischen 2 Kandidaten, die unterschiedlicher kaum sein könnten:

Die selbstständige Zoologin Pascale Steiner (BDP) und der Lehrer Markus Niederdorfer (parteilos).

Beiden Kandidaten stellte DZ acht Fragen zu ihren Positionen.

Hier die Antworten von Pascale Steiner und Markus Niederdorfer:

Steuern:
Im lokalen Wahlkampf wurden die Steuern recht stark thematisiert.
Sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Steuersätze gut oder müßten sie nach unten oder oben revidiert werden?

Steiner: Niemand bezahlt gerne Steuern, so würde jeder lieber gar nichts oder zumindest weniger bezahlen. Anderseits wollen alle z.B. eine gute Infrastruktur. Das kostet! Insbesondere in einer flächenmässig grossen Gemeinde mit Bergfraktionen. Je weniger Steuereinnahmen eine Gemeinde hat, umso weniger Ausgaben kann sie tätigen. Bei dieser Frage muss auf den Tisch gelegt werden, welche Ausgaben anstehen, wie die Finanzplanung der Gemeinde aussieht und welche Konsequenzen eine Steuersenkung tatsächlich mit sich bringen würde.

Niederdorfer: Bei Gemeindeentwicklung geht es um Wettbewerbsvorteile. Die entscheidenden Faktoren dabei sind: Erreichbarkeit, Infrastruktur, Steuern, Wohnqualität, Lage und Arbeitsplätze. Cazis hat soviele gute Trümpfe in der Hand. Einer muss jetzt gespielt werden. Dieser heisst eine Steuersenkung um 15 Prozent. Dadurch profitiert nicht nur die ganze Einwohnerschaft, sondern Cazis wird für besser Verdiendende attraktiver und verhindert die Ab-und Seitenwanderung. Heute hat Cazis die höchste Steuer im Tal. Der Rechnungsabschluss 2016 war so gut wie nie und in naher Zukunft geht es so weiter.

Zentralisierung:
Die Schulstandorte sind ein vielbeachtetes Thema. Sind Sie dafür, daß die beiden Schulstandorte beibehalten werden?

Steiner: Ein klares Ja!

Niederdorfer: Ja, unbedingt. Sie sind Teil des Fusionvertrages. Es macht auch Sinn, dass die Kinder in den ersten Schuljahren in einer vertrauten Umgebung zur Schule gehen. Die Bildung ist ein hohes Gut. Deshalb ist der Dialog zwischen Eltern und Lehrpersonen wichtig. Und dieser wird dadurch am besten gewährleistet, wenn die Wege kurz sind. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Standort Sarn gehalten werden kann, wenn im Tal Millionen für modernsten Schulraum investiert werden.

Bildung:
Gibt es Anliegen, welche Sie in punkto Bildung in Cazis haben?

Steiner: Ich habe zwei schulpflichtige Kinder und bin froh, dass das Angebot der Schule in Cazis bis und mit Oberstufe besteht. Ich bin der Meinung, dass die Cazner Schule sehr gut funktioniert. Beim Angebot an Tagestrukturen, insbesondere beim betreuten Mittagstisch, könnte noch ausgebaut werden. Für Zuzüger ist der Faktor Schule und das entsprechende Angebot an Betreuung ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Niederdorfer: Freiheit sei für Bildung die erste Bedingung, schrieb Wilhelm von Humboldt. Doch diese erstickt heute zunehmend in engen Lehr- und und einer Fülle von Vorschriften. Gute Lehrerinnen, gute Lehrer mit Einfühlungsvermögen und fachlicher Leidenschaft sind das A und O der Schule. Sie brauchen aber Freiheiten – nicht Kontrollen. Sie brauchen Vertrauen – und keinen Druck durch Dekrete. Der Schulrat gibt die Strategie vor. Hier muss auf die Bedürfnisse der ländlichen Gegend und der Eltern eingegangen werden. Wir müssen an unserer Schule gemeinsam arbeiten und die besten Lösungen anstreben. Das Schulgesetz lässt den Gemeinden viel Spielraum. Diesen gilt es zu auszuloten. Aus reformpädagogischer Sicht enstpräche eine Schule mit offenen Lernlandschaften, integriertem Mittagstisch für alle, Betreuungsangeboten – also eine Ganztagestruktur – dem Idealbild. Mein Indealbild der Schule sieht anders aus. Und glauben Sie mir der Mittagstisch kommt auch darin vor.

Kultur:
Beim vakanten Gemeinderatsposten handelt es sich um das Departement Sicherheit und Kultur.
Welchen Bezug haben Sie zum Thema Kultur?

Steiner: Kultur ist ein wichtiges Gut und wird in der Gemeinde Cazis mit sehr vielen Vereinen intensiv gelebt. Ich bin so ehrlich und gebe gleich zu, dass ich selber (noch) in keinem der lokalen Verein Mitglied bin. Nebst den Vereinen haben wir mit dem Kloster und den vielen Kirchen und Kapellen auch ein reichhaltiges Kulturgut. Zum Glück gibt es auch noch das Kulturarchiv in Tartar, in welchem es vieles nachzulesen gibt, man kann sich dort sehr gut verweilen. Dazu hat Cazis ein vielfältiges Naturangebot, was schlussendlich auch zur Kultur gehört. Wir haben einige Naturschutzgebiete auf dem Gemeindegebiet, in welchen es immer Interessantes zu entdecken gibt.

Niederdorfer: Es gibt verschiedenste Kulturen. Deshalb befasse ich mich mit der Kultur in unserer Region. Diese begegnet mir täglich. Denn zu meiner “Kultur” gehört alles, was in dieser Gegend erschaffen wurde und erschafft wird. Das sind die Künste, die Architektur, die Gestaltung des Lebensraumes, die Sprache, das Zusammeleben und die gesellschaftlichen Normen. Und da sind wir schon bei der Sicherheit. Wenn wir uns in einer Kultur des Miteinander und des offenen Dialogs befinden, dann fühlen wir uns auch sicherer. Die Basis dazu gründet bis heute auf den christlich, humanistischen Wertvorstellungen des Abendlandes. Und davon gibt es viele kulturelle Monumente in unserer Region. Ein wesentlicher Teil des kulturellen Lebens bilden die Vereine und das Vereinsleben. Die Politik muss dafür Sorgen, dass diese Vereinsvielfalt als Gewinn für die ganze Gesellschaft gesehen wird und die besten Rahmenbedingungen schaffen..

Gewerbe / Tourismus:
Cazis trägt 10,57 Prozent der Einnahmen von Viamala-Tourismus mit der neueingeführten Tourismusabgabe für alle Unternehmen, auch nicht-touristische und auch solche, die keinen Gewinn sondern Verlust haben. Ist dieses System aus Ihrer Sicht gut?

Steiner: Grundsätzlich ja, ob die 10.7 % richtig sind, kann diskutiert werden. Ich bezahle mit meinen ordentlichen Steuern auch einiges, von dem ich nicht direkt profitiere, und das hat so seine Richtigkeit.  

Niederdorfer: Wir befinden uns hier in einem Dilemma. Von Seiten des Kantons heisst es, dass unsere Region ihr Potential im Tourismusbereich hat. Von daher gesehen macht es Sinn, hier alles zu tun, um Wertschöpfung in der Zukunft zu generieren. Über das System der Besteuerung kann man sicher geteilter Meinung sein. Zur Zeit sieht es aber so aus, dass viel Geld für die Infrastruktur, Webseite, Werbung und Löhne gebraucht wird. Man hört, dass von einem Franken, gerade mal 25 Rappen bei Projekten ankommen würden. Hier muss sich das Verhältnis besser einpendeln. Es gibt viele Gewerbler, welche diese Abgabe als ungerecht empfinden, denn sie zahlen ja schon als Private. Viele beklagen, dass ihnen ja auch niemand unter die Arme greift. Ich kann ihre Haltung verstehen.

Rechtsstaatlichkeit:
Würden Sie sich als Gemeinderat dafür stehen, daß geltende Gesetze eingehalten werden oder sind Sie der Meinung, man kann auch mal beide Augen zudrücken?

Steiner: Ein klares Nein! Bei gesetzl. Fragen hat eine Verwaltung keine Augen, die zugedrückt werden können. Wenn, dann muss man sich für die Anpassung der entsprechenden Gesetze einsetzen.  

Niederdorfer: “Die Freiheit des einen hört da auf, wo das Recht des anderen beginnt”, sagt das Zitat. Als Gemeinderat ist man der Gemeindeverfassung gegenüber verpflichtet. Das heisst, dass die Gesetze für alle die gleichen sind. Es gibt aber Situationen, in denen kreative Lösungen gesucht sind. Und in diesem Fall muss der Gemeinderat auch als eine Art Mediator gesehen werden. Dem Zitat stimmen vermutlich die meisten in Friedenszeiten zu. Wenn aber im Konflikt nach der Grenze gefragt wird, dann beginnt der Streit. Ein Auge darf zugedrückt werden, wenn die direkt Betroffenen mit der Lösung einverstanden sind, keine Dritten zu Schaden kommen und das Gesetz den Spielraum zulässt.

Situation Landi / Lidl / Aldi etc.:
Mitten in der grünen Landschaft zwischen mehreren Wohngebieten haben große Konzerne wie Landi, Lidl, Aldi sowie weitere Konzerne direkt an der Gemeindegrenze zu Cazis gebaut, ohne, daß es einen Fußweg oder eine Bushaltestelle gibt. Nur über die Kantonsstraße können die Geschäfte erreicht werden. Würden Sie sich als Gemeinderat von Cazis politisch dafür einsetzen, daß Thusis hier etwas ändert und das Gespräch suchen?

Steiner: Die heutige Situation mit Aldi / Lidl / Landi auf Thusner Boden ist tatsächlich unglücklich gelöst. Cazis hat allerdings seine Aufgaben gemacht, es besteht durchgehend ein Trottoire von der Klinik Beverin bis zur Gemeindegrenze Thusis. Hier steht klar Thusis in der Pflicht.

Niederdorfer: Die jetzige Situation darf als unglücklich bezeichnet werden. Nun gehört es zur Aufgabe der Standortgemeinde, sich mit der Erschliessung eines Gewerbeparks zu befassen. Natürlich hätte diese auch Teil der Baubewilligung sein können, wenn nicht sogar sein müssen. Thusis tut sich bis heute schwer mit der Gehsteig-Lösung an der Kantonsstrasse, denn es gibt schon einen Weg. Wenn es der Auftrag der Bevölkerung von Cazis ist, hier eine Verbesserung herbeizuführen, dann dann würde ich das Gespräch suchen. Es ist mir aber nicht bekannt, dass die Gemeinde darum gebeten wurde.

ÖV:
Sind aus Ihrer Sicht die Bergfraktionen mit dem ÖV gut-genug erschlossen?

Steiner: Ja und Nein. Das ist eine schwierige Frage. Vielleicht gäbe es da bessere Lösungen mit einem Bus auf Abruf. So genannte Bedarfsangebote im öffentlichen Verkehr sind kostengünstiger und könnten für die Bergfraktionen eventuell eine Lösung sein. Dazu müssten aber Bedarfsabklärungen und eine Kosten-Nutzen Analyse durchgeführt werden.

Niederdorfer: In meinem Bericht “Cazis- eine Bilanz und Perspektive” befasse ich mich mit der Frage, wie sich Cazis in Zukunft noch attraktiver positionieren könnte. Nebst der Steuerbelastung ist die Erreichbarkeit ein wichtiger Faktor zur Bewertung der Standortattraktivität. Dort schreibe ich, dass das Tal gut erschlossen ist und die Bergfraktionen im Nachteil sind. Es gibt täglich 17 Verbindungen von Präz nach Thusis. Verglichen mit anderen Ländern ist das eine sehr gute Frequenz. In Kombination mit einem PW im Haushalt, kann auch von Präz oder Lescha aus Thusis oder Chur in einer vernünftigen Zeit erreicht werden. Dies gilt es zu bewahren. Weitere Infos unter: Weitere Infos unter: Markus-Niederdorfer.ch

Bildquelle Foto Pascale Steiner: Pesch-VIV.ch

Fragenstellungen DZ: Remo Maßat
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